Noch Trend oder bereits Dauerlösung? Wie fest sind Tiny Houses etabliert?
Die NEW HOUSING hat sich längst als Europas wichtigster Treffpunkt für Kleinwohnformen einen festen Platz erarbeitet. Aber wie fest sind Tiny Houses und Co. auf dem weiten Markt der Wohnlösungen verankert? Auf der Suche nach Antworten.
Wer die NEW HOUSING der Messe Karlsruhe besucht, wird schnell feststellen: Die Community für Tiny Houses, Modulhäuser und Co. ist groß. Tausende Interessierte kommen seit 2018, um sich auszutauschen, zu informieren und Inspiration für das eigene Minihaus zu sammeln.
Auch das Angebot der NEW HOUSING an ihre Besuchenden wurde in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es ein moderiertes Fachforum, Workshops, einen Live-Podcast auf der Bühne sowie einen Talk zur Frage, wie Tiny-House-Siedlungen entstehen können.
Wie aber sieht es außerhalb der Minihaus-Branche?
Tiny House Verband und Industrienorm
Seit 2019 gibt es den in Karlsruhe gegründeten Tiny House Verband. Die NEW HOUSING gehört zu den Gründungsmitgliedern. Geführt wird der Verband von der Vorsitzenden Regina Schleyer: „Die Mitgliederzahl entwickelt sich weiterhin positiv. Es gibt allerdings auch immer wieder Mitglieder, die den Verein wieder verlassen.“
Neben klassischer Lobbyarbeit für das Leben auf kleinem Raum, war der Tiny House Verband im vergangenen Jahr auch maßgeblich an der Entstehung der ersten „Industrienorm Kleingebäude“ beteiligt. Die Norm ist die erste allgemein gültige Grundlage fürs Finden von Grundstücken und den Bau von Tiny-Häusern. Sie soll helfen im Umgang mit Behörden und Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern. Bundesweit gibt es derzeit rund 40 reine Tiny-House-Siedlungen – Tendenz steigend.
Gebäudetyp E
Dass Bauen in Deutschland einfacher werden muss, hat auch das Bundesbauministerium von Klara Geywitz erkannt und deswegen den „Gebäudetyp E“ auf den Weg gebracht. „E“ steht dabei für „einfach, experimentell und effizient“. Die Ministerin wird wie folgt zitiert: „Mit dem Gebäudetyp E ermöglichen wir einfaches und experimentelles Bauen. Bauen ist in Deutschland zu teuer. Wir tendieren häufig dazu, einen Goldstandard zu bauen. Das macht das Planen und Bauen aufwändig, personalintensiv und teuer. Das wollen wir ändern. (…) Projektierer können mit dem ‚Gebäudetyp E‘ rechtssicher von Baustandards abweichen, um einen Bau schneller und kostengünstiger zu realisieren. (…)“
Welche konkreten Auswirkungen der Gebäudetyp E auf Minihäuser hat, ist schwer zu sagen. Klar ist aber: Der Weg für individuellere Wohnkonzepte ist nun einfacher zu begehen.
Tiny Houses und Architekten
Andreas Grube, Bezirksvorsitzender der Architektenkammer Karlsruhe/Nordbaden, findet den Gebäudetyp E gut: „Dieser kam auch auf Initiative der Architektenkammer zustande. Wir begrüßen den neuen Gebäudetyp, weil die Energiebilanz nun auch über die Materialien verbessert werden kann. Das hilft unserem Berufsstand auch in der Argumentation, wenn es um nachhaltiges Bauen geht.“
Und welche Rolle spielen Tiny Houses bei Architekten generell? „Sie sind schon ein Thema bei uns, aber noch lange nicht so häufig wie konventionelle Bauten. Vor allem bei älteren Menschen spielen Minihäuser eine Rolle“, sagt Grube weiter.
Aber: „Vor zehn Jahren spielten Kleinsthäuser noch gar keine Rolle. Das hat sich mittlerweile stark geändert. Die Menschen nehmen sich bewusst zurück und reagieren auf knapper werdende Flächen. Ein Kollege von mir hat jüngst beispielsweise ein Projekt am Schuttersee in der Ortenau realisiert“, sagt Grube weiter. Architekten mache das Planen von Tiny-Häusern außerdem Spaß. Grube: „Es geht darum, auf geringem Platz etwas Wunderbares zu realisieren.“
Novellierung Bundesbaugesetz
Anfang September 2024 hatte das damals noch bestehende Bundeskabinett den Entwurf zur Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) beschlossen. Das BauGB ist die zentrale rechtliche Grundlage für die Stadtentwicklung in Deutschland. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Bundestag bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Der Bundesrat muss hier nicht zustimmen.
Die Novelle soll die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt entlasten. Mit der Sonderregelung Paragraph 246e BauGB muss künftig kein gesonderter Bebauungsplan mehr vorgelegt werden. Außerdem sollen Erweiterungen von Gebäuden nun überall – auch in nicht angespannten Wohnungsmärkten – erlaubt sein, ebenfalls ohne den Bebauungsplan zu ändern. Bislang gab es diese Möglichkeit nur im Einzelfall.
Bislang galt, dass eine Nachverdichtung nur möglich war, wenn diesem dem sogenannten Charakter des Quartiers entsprach. Auch das soll künftig einfacher werden.
Die Novellierung des Bundesbaugesetzes öffnet die Möglichkeit für den Bau von alternativen Minihäusern zumindest ein wenig mehr.
Tiny-House-Studie
Dass sich Tiny Houses weiter ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft erkämpfen, kann man auch daran erkennen, dass Studien zum Thema erstellt werden – wie die des Innenministeriums Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Lübeck. Das Ministerium wollte die Chancen, Grenzen und Risiken von Tiny Houses beleuchten.
Minihäuser werden in der Studie als „kostengünstige, nachhaltige und pragmatische Lösung“ dargestellt. „Die Studie stellt dar, welche Chancen Tiny Houses bieten und wo deren Grenzen und Risiken liegen, und widerlegt Vorurteile. Dabei zeigt sich, dass es keine allgemeingültige Bewertung gibt, sondern immer auf die individuelle Betrachtung ankommt“, wird Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack vom Ministerium selbst zitiert. Und weiter: „Darüber hinaus es ist fraglich, ob ein Tiny House immer allen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden kann.“
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass Menschen nicht nur als wirtschaftlichen Gründen in Tiny Houses wohnen. Das Lebensmodell sei vielmehr eine bewusste Entscheidung, Wohnraum, Besitz, Kosten, Aufwand und Verantwortung zu reduzieren. Kommunen und Investoren, so die Studie weiter, sehen in Kleinsthäusern eine Möglichkeit, versiegelte Areale oder kleine Restflächen zu bebauen und zu verdichten. Zur gesamten Studie geht’s HIER.
Kurzinterview
„Die Ernsthaftigkeit ist gestiegen“
Zwei, die seit April 2022 einen Podcast speziell zum Thema „Leben im Tiny House“ machen und die bestens vernetzt in der Szene sind, sind Chris und Caro von „tinyon“.
Wie bewertet ihr die Entwicklung rund um Miniäuser?
Chris und Caro: „Das grundsätzliche Interesse am Thema ist deutlich in der breite der Gesellschaft angekommen, die Beweggründe sind jedoch grundverschieden. Da sich unser Podcast ganz bewusst mit dem Lebensmodell Tiny Living beschäftigt, merken wir auch hier, dass Menschen sich konkreter denn je mit ihrem persönlichen Traum davon auseinandersetzen.“
Neben dem Podcast bieten die beiden auch Seminare und Fortbildungen an. Wie hat sich der Kreis eurer Kundinnen und Kunden verändert?
Chris und Caro: „Die Zielgruppe ist die Gleiche, die Ernsthaftigkeit sich mit dem eigenen Weg ins Tiny House zu beschäftigten, ist aber in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Interessierte recherchieren zwar weiterhin zu Beginn auf eigene Faust, stellen aber dann fest das sie sich fachliche Unterstützung von Menschen wünschen, die selbst im Tiny House leben. Wir kennen die Herausforderungen und eben auch Abkürzungen vom Traum zum Leben im eigenen Minihaus.“
Welches Fazit zieht ihr nun? Sind Tiny Houses noch ein Trend oder bereits Dauerlösung?
Chris und Caro: „Der Trend wird in wortwörtlich kleinen Schritten zur Dauerlösung. Das allgemeine Weltgeschehen sorgt aus unserer Sicht dafür, dass sich immer mehr Menschen mit den Themen Entschleunigung, bewusster Konsum und Unabhängigkeit beschäftigten. Zudem schafft jedes umgesetzte Projekt, vom kleinen Einfamilienhaus bis hin zur Tiny House Siedlung, für Vertrauen auf kommunaler Seite. Das Leben im Tiny House wird "erwachsen" und nimmt damit langsam einen Platz als etablierte Wohn- und Lebensform ein.“